Berater mit Bestnoten, Exzellenz in fast jedem Bereich und grenzenloser Service – wer wünscht sich das nicht? Die Ergebnisse von scheinbar unabhängigen Service-Ratings klingen zu schön, um wahr zu sein. Und genau das sind sie auch. Wir werfen einen Blick hinter die Kulissen der gekauften Bewertungen von Finanzvertrieben.
Die Finanzvertriebe geben ihren Verkäufern beim Kundenfang vielfältige Marketinginstrumente an die Hand, um potentielle Kunden für sich zu gewinnen. Ihr „prämierter“ Kundenservice von „unabhängigen“ Ratingagenturen soll eine hohe Qualität bezeugen. Ganz schön viele Anführungszeichen? Richtig, denn der exzellente Schein trügt hier leider zu oft.
Aktuelles Beispiel: Der Kundenservice in Corona-Zeiten
Anfang des Jahres rühmt sich z.B. ein großer Finanzvertrieb mit einer Bestnote im Servicerating. Schon im ersten Satz wird plump gelogen, oder zumindest unnötig übertrieben: „Unsere Vermögensberater waren auch in diesem herausfordernden Jahr jederzeit für ihre Kunden erreichbar: 24 Stunden, sieben Tage die Woche, persönlich oder digital!“, wird ein Vorstandsmitglied zitiert. Warum sollte man so etwas sagen? Versuch‘ mal, Deinen Finanz- oder Vermögensberater samstagnachts um 3:30 in seinem Büro zu treffen. Oder an Heilig Abend oder an Karfreitag. Erweckt man so die Glaubwürdigkeit seiner (potenziellen) Kunden?
Zweiter Satz: „Veränderungen bestimmen das Leben – und die Qualität unseres Kundenservices ist dabei unser Hauptaugenmerk“. Also hat sich der Kundenservice anhaltend verändert? In welche Richtung denn? Wir hoffen doch nur zum Guten. War er denn zuvor so schlecht?
Naja, was der Herr uns eigentlich damit sagen will, aber ein bisschen ungelenk ausdrückt: Es hat sich wohl nichts verändert. Jedenfalls freut er sich darüber, dass sein Finanzvertrieb bereits zum zehnten Mal in Folge von der ServiceRating GmbH mit der Bestnote „Exzellent“ ausgezeichnet wurde. Er freut sich und wirkt dabei fast ein bisschen überrascht, über das (Achtung, Zitat!) „Kompliment“, was dem Finanzvertrieb damit gemacht wurde. Dabei müsste er doch wissen, wohin er die Rechnung für das Rating geschickt hat. Zum Geschäftsführer der ServiceRating GmbH nämlich, der auch zu Wort kommen und sein eigenes „Kompliment“ noch einmal öffentlichkeitswirksam wiederholen darf: Top Service, top Berater, top Kommunikation. Alles top, top, top. Doch leider ist anhaltende Exzellenz leichter erkauft als erarbeitet.
Das System der Ratingagenturen
Nun zu den Fakten. Es gibt zwei Möglichkeiten des Ratings: Entweder werden die Ratingagenturen von den Unternehmen selbst beauftragt, einen gewissen Bereich zu untersuchen, oder sie untersuchen eigenständig und stellen das positive Ergebnis zur Vermarktung zur Verfügung. In beiden Fällen bezahlt das betreffende Unternehmen für die Leistungen der Ratingagentur bzw. dafür, deren Testat benutzen zu können. Beide Unternehmen verfolgen gemeinsame wirtschaftliche Ziele und wirklich unabhängig voneinander sind sie dadurch nicht. Ein schlechtes Ergebnis erfahren die Kunden mit Sicherheit nie, denn damit wird nicht geworben.
Doch auch inhaltlich ist das bereits genannte Servicerating zumindest fragwürdig; aber entscheide selbst über die Aussagekraft: Das Unternehmen hat rund 8.000.000 Kunden, wie es selbst in einer Pressemitteilung schreibt – und nennt sich übrigens kurz danach ein „Familienunternehmen“. Nicht mehr der kleine, mittelständische Betrieb ist also ein Familienunternehmen, sondern der Industriegigant mit so viel Kundschaft, dass jeder zehnte Deutsche von ihnen beraten werden müsste. Naja, sei es drum.
Aber bei solchen Dimensionen müsste dann für eine aussagekräftige Bewertung der Kundenzufriedenheit, doch auch ein ordentlicher Teil der Kunden befragt werden, oder? Ach nee, sagt die ServiceRating GmbH, für ein „Kompliment“ reichen auch 300.
Nochmal zum Mitschreiben: Dreihundert von acht Millionen Kunden wurden befragt – das sind 0,00375 Prozent! Na, das nennen wir doch mal Repräsentativität.
Und da die Kundendaten durch die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) gar nicht ohne individuelle Zustimmung weitergegeben werden dürfen, kann man davon ausgehen, dass dier Finanzvertrieb die zu befragenden Kunden handverlesen ausgewählt und der „unabhängigen“ Ratingagentur vermittelt hat.
Abschließend lohnt sich noch ein Blick auf die mehr als 17.000 Vermögensberater, die laut eigener Aussage bei diesem Unternehmen unter Vertrag stehen. Sie sind meistens kleine Lichter im großen System der Finanzvertriebe – und nicht selten leiden auch sie darunter. Denn bei acht Millionen Kunden heißt das, ein Berater muss sich gleichzeitig um durchschnittlich 471 Kunden kümmern. Das spricht ja für eine besonders persönliche und intensive Beratung. Vielleicht erklärt sich so, warum die armen Berater 365 Tage und 24 Stunden erreichbar sein müssen – persönlich oder digital!
Nach dem Faktencheck bleibt von dem „exzellenten“ Rating fast nichts mehr übrig. Im Fazit müsste es heißen, „ein Finanz- oder Vermögensberater schafft es möglicherweise, etwas mehr als die Hälfte seiner Kunden angemessen zu betreuen“. Da kann ich mitgehen. Im Gegenzug wird klar: Knapp die Hälfte der Kunden können sich sicherlich nicht über exzellenten Kundenservice freuen; das entspricht auch den Berichten der mehrzählig unzufriedenen Kunden.
Am Ende war das angeblich unabhängige und repräsentative Serviceating nichts weiter als das, was es sein sollte: Ein Kompliment. Nur leider kein ehrliches.
Quellen / Fakten: